Ein innerer Kompass für ein neues Jahr in der Selbstständigkeit

Ein innerer Kompass für ein neues Jahr in der Selbstständigkeit

In meiner Beratungspraxis begegnete mir kürzlich eine junge Unternehmerin – seit zwei Jahren selbstständig, mit all der Begeisterung und Tatkraft, die ein solcher Schritt erfordert. Doch dieses Jahr schien für sie wie ein Anker, der sie auf dem Weg zurückhielt. „Ich habe immer das Gefühl, ich trete auf der Stelle, obwohl ich so viel arbeite“, erzählte sie mir mit einem müden Lächeln. Es fehlte an Leichtigkeit und Energie – beides Essenzen, die eine Selbstständigkeit nähren und lebendig halten. Also schlug ich vor, gemeinsam mit ihr das vergangene Jahr zu reflektieren und eine Art „Jahresklausur“ zu machen. Dabei wollte ich das Lebensrad-Modell mit zwölf Bereichen anwenden, um Klarheit in die verschiedenen Aspekte ihrer Selbstständigkeit zu bringen.

Das Lebensrad und die zwölf Bereiche der Selbstständigkeit

Die zwölf Bereiche des Lebensrads definierte meine Klientin selbst: Finanzen, Buchhaltung, Vision, Marketing, Branding, Zielgruppe, Bedürfnisse der Zielgruppe, Kundenfeedback, Netzwerken, Arbeitsumfeld, Balance zwischen Arbeit und Freizeit sowie Selbstorganisation. Diese sollten die Grundlage für unser Gespräch bilden. Ich bat sie, jedem dieser Felder zuzuordnen, was sie im aktuellen Jahr beschäftigt hatte. Sie nahm sich Zeit und nannte schließlich für jeden Bereich treffende Themen. Danach schätzte sie ihre Zufriedenheit auf einer Skala von 1 bis 10 ein.

Es dauerte nicht lange, bis die Antwort klar wurde: Die Felder Buchhaltung, Balance und Netzwerken waren für sie die größten Herausforderungen. Die anderen Bereiche lagen zwar weitgehend im „grünen Bereich“, aber in diesen dreien war Handlungsbedarf – so viel war sicher.

Das innere Team an Bord holen

Um die Herausforderung konkreter und greifbarer zu machen, entschieden wir uns, das „Innere Team“ zur Unterstützung heranzuziehen. Sie ließ sich gerne auf das Bild der Persönlichkeitsanteile ein und benannte für jeden kritischen Bereich jene inneren Stimmen, die sie dort oft bremsten oder gar blockierten.

Beim Thema Buchhaltung, ihrem wohl größten „Dorn im Auge“, war es die „Aufschieberin“, die sie zurückhielt. Sie ließ immer wieder Termine verstreichen und fühlte sich dann überfordert, wenn sich die Arbeit türmte. Auf der anderen Seite jedoch stand die „Umsetzerin“ bereit – dieser Persönlichkeitsanteil lag ihr gut, denn sie wusste um ihre Fähigkeit, Dinge auch tatkräftig anzugehen. „Die Umsetzerin kennt den Weg – und die Aufschieberin muss nicht gewinnen“, schmunzelte sie. Ihr Lösungsvorschlag: monatliche Zeitfenster festlegen, die Buchhaltung zur Priorität machen und überlegen, einen Teil der Aufgaben auszulagern. Ein Ordnungssystem würde zudem helfen, den Überblick zu behalten und Druck herauszunehmen.

Balance zwischen Arbeit und Freizeit finden

Im Bereich Balance stand die Aufstellung zwischen der „Workaholicer“ und dem „Entschleuniger“ an. Der Workaholicer in ihr war stark ausgeprägt und fiel schnell in alte Gewohnheiten, selbst wenn sie sich vorgenommen hatte, für mehr Ausgleich zu sorgen. „Vielleicht braucht mein Entschleuniger morgens gleich eine gute Routine“, überlegte sie laut, „etwas, das mir hilft, ruhig und gestärkt in den Tag zu starten.“ Auch das Tracken ihrer Tätigkeiten und das Einplanen regelmäßiger Pausen – wie feststehende Termine, die sie auch einhält – konnte sie sich als konkrete Strategie vorstellen, um sichtbar zu machen, wo sie „unnötig Zeit verbrennt“. Sie notierte sich einige Ideen und schien erleichtert, endlich einen Ansatz zu haben, der den Fokus auf Balance legte.

Netzwerken als Introvertierte

Doch dann kam das Thema Netzwerken. Ihre Augen wurden ein wenig melancholisch. „Ich bin so oft alleine, und ein Team fehlt mir“, erklärte sie. Sie fühlte sich isoliert und vermisste den Austausch, das Miteinander. Trotzdem lag die Herausforderung nicht nur im Wunsch nach Anschluss – es war auch die „Ängstliche“ in ihr, die sich meldete. „Diese Treffen machen mich nervös, wenn ich allein hingehen muss“, sagte sie. Gemeinsam legten wir die „Visionärin“ als Gegenpol fest. Sie selbst hatte große Ideen und Ziele für ihre Selbstständigkeit und war bereit, dafür hinauszugehen, wenn die Visionärin sie antrieb. Ihre Lösung: gezielt Netzwerktreffen auszuwählen, die sie wirklich interessieren könnten, und eine Kollegin oder Freundin um Begleitung zu bitten. Auch die Visionärin durfte zum Treffen „mitkommen“ – sie nahm sich die Karte, die ich ihr mitgab, als Anker und Erinnerung, dass ihre Vision in den Raum darf und sie eine Visionärin sein darf.

 

Ein kraftvolles Ergebnis

Als wir die Sitzung beendeten, war die Last spürbar leichter. Mit klaren, handhabbaren Ansätzen und einer neuen Perspektive auf die Stolpersteine ihrer Selbstständigkeit fühlte sie sich bereit, das nächste Jahr voller Klarheit und Tatkraft anzugehen. Sie sagte mir: „Jetzt habe ich eine Orientierung, wie ich mein neues Jahr gestalten will. Das fühlt sich stark an.“

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